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Rückblick: Awareness-Team bei der 15. Jahrestagung der dggö in Hannover

Rückblick: Awareness-Team bei der 15. Jahrestagung der dggö in Hannover

links: Soschia Karimi, rechts: Johanna Sophie Quis

Dr. Johanna Sophie Quis im Interview zum Thema Diversity und der Bedeutung eines Awareness-Teams bei der 15. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie (dggö) in Hannover.

Was bedeutet Diversity für das IHE und Sie persönlich?

Diversity oder Vielfalt bezieht sich auf die Unterschiede zwischen Menschen und signalisiert das Streben, diese Unterschiede anzuerkennen und wertzuschätzen. Für mich ist das Thema Diversity bereits seit Beginn meiner Schulzeit präsent, als ich mit Flüchtlingen aus dem Bosnien-Krieg eingeschult wurde. In den 1990er Jahren wurde ich auch ohne Migrationshintergrund mehrfach aufgrund meines Aussehens fremdenfeindlich behandelt, was mich zusätzlich sensibilisierte. In meiner Jugend habe ich mich dank eines engagierten Lehrers aktiv in verschiedenen Initiativen engagiert. Besonders deutlich wurde mir das Thema während meines abgebrochenen Ingenieursstudiums, in dem ich als Frau in der Minderheit war und häufig darauf reduziert wurde.

Am IHE haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Universität bei der Förderung und Gestaltung von Vielfalt aktiv zu unterstützen. Dies zeigt sich neben Diversity-Aspekten als Teil unserer Lehrinhalte auch im Schwerpunktthema der dggö-Jahrestagung, welche Prof. Dr. Annika Herr in diesem Jahr in Hannover ausgerichtet hat: „Qualität von Gesundheitsleistungen in einer heterogenen Gesellschaft“.

 

Warum ist es ein wichtiges Thema?

Wir leben in einer alternden Gesellschaft und beginnen, erhebliche Auswirkungen von Personalknappheit in allen möglichen Bereichen zu sehen. Es ist schlichtweg gefährlich, Potenziale zu vergeuden, indem man Menschen Teilhabe verweigert und sie ausgrenzt oder benachteiligt. Wer sich nicht als Teil der Gesellschaft, nicht willkommen und nicht gesehen fühlt, hat wenig Anreiz, zu einer funktionierenden Gesellschaft beizutragen. Vor allem aber gebietet es die Menschlichkeit, sich angemessen einander gegenüber zu verhalten, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Fähigkeiten oder anderen Faktoren.

 

Woher rührte die Idee ein Awareness-Team bereitzustellen und was war Ihre Aufgabe?

Im vergangenen Jahr haben etliche, überwiegend Wissenschaftlerinnen sowohl in Europa als auch in den USA Erfahrungen mit übergriffigem Verhalten bei Konferenzen und im akademischen Betrieb in den sozialen Medien geteilt. Sowohl bei der dggö als auch am IHE wurde diskutiert, wie man ein möglichst sicheres Umfeld auf unserer Konferenz schaffen kann. Dabei kam der neue Code of Conduct der dggö heraus, der deutlich macht, dass Fehlverhalten nicht toleriert wird und die dggö sich in diesem Themenbereich klar positioniert. Das Büro für Chancenvielfalt der Universität Hannover hat ein studentisches „A-Team“, das bei verschiedenen studentischen Events zum Einsatz kommt. Das haben wir als Vorbild genommen und Soschia Karimi und mich als Mitarbeiterinnen des IHE vom Büro für Chancenvielfalt zum Thema schulen lassen. Wir waren bei der Konferenz durchgehend anwesend und ansprechbar für allgemeine Fragen zur Gleichberechtigung wie z.B. „Wie bekomme ich ein Frauennachttaxi?“, „Wo finde ich Unisextoiletten?“, als auch konkreter: „An wen kann ich mich wenden, wenn mir etwas passiert ist?“, „Wer ist wofür zuständig?“. Wir Awareness-Beauftragten waren während der Konferenz erste Anlaufstelle für Betroffene und dienten als offenes Ohr sowie zur Vermittlung zu den entsprechenden Angeboten. Das Vorhandensein der Awareness-Beauftragten war ein wichtiges Signal an alle Teilnehmenden, dass das Thema Diversity ernst genommen wird und somit eine wichtige Präventionsmaßnahme darstellt. Als weiteres Diversity-Signal wurde den Teilnehmenden zudem auch Kinderbetreuung für die Dauer der Konferenz angeboten und das Hochschulbüro für Chancenvielfalt war in den Mittagspausen mit einem Stand vertreten.

 

Welche Rolle hat hierbei der neue Code of Conduct der DGGÖ gespielt?

Der Code of Conduct, dem jede*r Konferenzteilnehmende im Vorhinein zustimmen musste, bildet die Grundlage unserer Bemühungen, eine sichere Veranstaltung für alle Teilnehmenden zu schaffen. Er soll Teilnehmende dazu anregen, ihre eigenen Verhaltensweisen kritisch zu hinterfragen. Er gibt der dggö gleichzeitig Handlungsspielraum, Konsequenzen aus unangemessenem Verhalten zu ziehen.

 

Welche Erfahrungen haben Sie als Ansprechpartnerin gemacht?

Meine Erfahrungen waren überwiegend positiv. Viele Teilnehmer*innen haben mich darauf angesprochen, dass sie es gut und wichtig finden, dass das Thema Diversity ernst genommen wird.

 

Ist es sinnvoll, das Angebot auch bei künftigen Veranstaltungen und ggf. in welchem Rahmen aufrechtzuerhalten?

Ja, ich halte es für sehr sinnvoll bei Veranstaltungen das Angebot aufrechtzuerhalten. Es ist gut, wenn es eine oder je nach Größe der Veranstaltung auch mehrerer Ansprechpartner*innen gibt, welche ein offenes Ohr anbieten und je nach Anliegen wissen, wer zuständig ist oder helfen kann und auch die entsprechenden Kontakte herstellt. Insbesondere die Präventivwirkung der Maßnahme ist nicht zu unterschätzen.   

 

Was würden Sie sich mit Blick auf Diversity-Ziele in der deutschen Wissenschaftslandschaft wünschen?

Ich wünsche mir, dass in der deutschen Wissenschaftslandschaft Vielfalt gefördert und Rahmenbedingungen geschaffen werden, um niemanden auszugrenzen und stets anständig miteinander umzugehen. Kreativität in der Wissenschaft profitiert von Vielfalt, die nur nachhaltig existiert, wenn dieser Wandel schneller vorangeht und auch andere Dimensionen neben dem Geschlecht wesentlich stärker berücksichtigt werden.

 

Vielen Dank für Ihre Auskünfte.